Am Anfang war das Wort Ballade Theodor Fontane: Die arme Else

Theodor Fontane: Die arme Else

Die Mutter spricht: „lieb Else mein,
     Du mußt nicht lange wählen;
Man lebt sich in einander ein,
     Auch ohne Liebesquälen;
Manch‘ Eine nahm schon ihren Mann,
     Daß sie nicht sitzen bliebe,
Und dünkte sich im Himmel dann,
     Und alles ohne Liebe.“

Jung-Else hört‘s und schloß das Band,
     Das ewge am Altare,
Es nahm, zur Nacht, des Gatten Hand
     Den Kranz aus ihrem Haare;
Ihr war zu Sinn, als ob der Tod
     Sie auf die Schlachtbank triebe, —
Sie gab ihr Alles nach — Gebot,
     Und alles ohne Liebe.

Der Mann ist schlecht, er liebt das Spiel,
     Und guten Trunk nicht minder,
Sein Weib zu Hause weint zu viel,
     Und ewig schrein die Kinder;
Spät kommt er heim, er kost, er — schlägt,
     Nachgiebig jedem Triebe, —
Sie trägt‘s, wie nur die Liebe trägt,
     Und alles ohne Liebe.

Sie wünscht‘ sich oft: „es wär‘ vorbei“,
     Wenn nicht die Kinder wären;
So aber sucht sie, stets auf‘s Neu,
     Den Gatten zu bekehren;
Sie schmeichelt ihm, und ob er dann
Auch kalt bei Seit‘ sie schiebe,
     Sie nennt ihn: ihren liebsten Mann,
Und alles ohne Liebe.

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Gedichte, Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst. – Berlin 1851, S. 115 ff.

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)

Bildquelle: Mit freundlicher Genehmigung von Kunst braucht Zeit (): Hochzeitsboot

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