Am Anfang war das Wort Ballade Theodor Fontane: Die Bienenschlacht

Theodor Fontane: Die Bienenschlacht

Nur kein Gegrübel
Was es sei;
Wohl oder übel —
Der Scherz ist frei

Die Wespen und die Bienen
      Sie haben sich entzweit,
Wie Guelphen und Ghibellinen [AnmR 1]
     Stehen sie im Streit,
Parthei nimmt Hummel und Käfer,
     Und selbst der Blumen-Elf,
Es flüstern die Lilienschläfer:
     „Hie Waibling und hie Welf!“

Die Bienen halten sich wacker,
     Doch ach, trotz Wall und Thurm,
Den Schoten- und Bohnen-Acker
     Nahm der Feind im Sturm;
Schon um die heimische Linde,
     Wie um Herd und Haus,
Sammelt das Bienen-Gesinde
     Sich zum letzten Strauß.

Eine (sie stund auf Wache,
     Und das Weinen war ihr nah)
Schwur: „eine herrliche Sache
     Sei dies mori pro patria!
Daß ihr Stand so ein harter
     Freue sie nur zu sehn,
Wie die dreihundert Sparter
     Würden sie untergehn.“

Sprach da eine Zweite:
     „Wohl, sie stimme dem bei,
Daß zu fallen im Streite
     Ein Vergnügen sei;
Nur sie wäre verwundert,
     Daß man auf Sparta säh‘,
Pforzheim und seine Vierhundert
     Hätte man ja in der Näh’“.

Sprach es. Die Anderen alle,
     Immer gesinnungsvoll,
Klatschten in diesem Falle
     Geradezu wie toll; —
Siehe! da schwarz am Himmel,
     Wie Heuschreckenzug,
Nahet das Wespengewimmel
     Sich im Siegesflug.

Solche Schwärme und Flüge
     Nimmer der Garten sah,
Wahre Hunnenzüge
     Sind es des Attila.
Gierig nach Blut und Morden
     Stürmen sie heran,
Wie die Mongolenhorden
     Unter Dschingiskhan.

Bald in gebogenem Horne,
     Bald in gespitztem Keil,
Aber immer nach vorne
     Stachel und Hintertheil:
So, nach reifer Betrachtung,
     Stürmen sie herbei,
Weil es der Verachtung
     Sprechendster Ausdruck sei.

Auch die Bienen, in Demuth
     Werden sich deß bewußt,
Schier unendliche Wehmuth
     Schleicht in ihre Brust,
Stimmen statt Schlachtgesanges,
     Klagelieder an,
Und vor allem ein banges:
     „Zeige dich braver Mann!“

Siehe, da schnell ein Sasse
     Tritt hervor aus den Reih‘n:
„Mach‘ Euch eine Gasse
     Liebe Genossen mein!“
Und als ob es ihm wäre
     Nichtiger Zeitvertreib,
Drückt er dreizehn Speere
     Tief sich in den Leib.

Wüthend die Bienen klammern
     Da an den Feind sich an,
Alle Wespen jammern:
     „Rette sich wer kann!“
Aber mit Waffen, schartig,
     Hummeln und andere mehr,
Fallen jetzt landsturmartig
     Ueber die Flüchtigen her.

***

Abend kommt; es schattet;
     Letzte Röthe schied;
Siehe, da wird bestattet
      Bienen-Winkelried.
Solch ein Gäste-Gedränge,
     Alle mußten‘s gestehn,
Und solch Leichengepränge
     Hatten sie nie gesehn.

Rings auf Spitzen und Thürmchen
     An dem Hecken-Zaun,
Glühten Johanniswürmchen
     Hell wie Fackeln traun;
Taghell so beleuchtet,
     Kam der Zug daher,
Jedes Auge gefeuchtet,
     Jedes Herze schwer.

Vorne, drei Hummelbrummer
     Schritten ernst und barsch,
Trommelten in Kummer
     Ihren Trauermarsch;
Dann mit Ruhm zu melden
     Kam der wächserne Sarg,
Der des Helden der Helden
     Irdische Hülle barg.

VierkohlschwarzeKäfer,
     — Allen wohlbekannt —
Waren, als Rappen, dem Schläfer
     Drinnen vorgespannt;
Auf dem Deckel oben
     Lagen, Schaft an Schaft,
Alle die dreizehn Proben
     Seiner Ritterkraft.

Still des Zuges Spitze
     Hat jetzt eingelenkt:
In eine Mauerritze
     Wird der Sarg gesenkt.
Dann — wie Kriegsgesinde
     Rasch den Gram vertauscht —
Haben im Duft der Linde
     Alle sich berauscht.

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Verfasst: 1849, zunächst unter dem Titel „Bienen-Winkelried“
Quelle: Theodor Fontane: Gedichte, Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst. – Berlin 1851, S. 190 ff.

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)


Anmerkung der Redaktion 1: Bei den Ghibellinen (Waiblinger) und Guelfen (Welfen) handelt es sich um zwei politische Gruppen, die sich im Mittelalter in Italien feindlich gegenüberstanden.

< John Gilpin Der Tower-Brand >

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