Am Anfang war das Wort Ballade Theodor Fontane: Graf Hohenstein

Theodor Fontane: Graf Hohenstein

1.

Der junge Graf von Hohenstein
     War sonst kein Waidgeselle,
Was hält sein Roß tagaus, tagein
     Jetzt an des Försters Schwelle?
Er trägt kein Hüfthorn um den Leib, —
     Was will der Graf erjagen?
Ihr müßt des Försters junges Weib,
     Die schöne Gertrud fragen.

Die schöne Gertrud horcht gespannt
     Bei Dämmerschein, im Garten;
Durch ihre Brust zieht, Hand in Hand,
     Ein Bangen und Erwarten;
Da schallt ein Huf, der Hund schlägt an,
     Sie spricht: „Gott, hab Erbarmen!“
Und eh sie weiter beten kann,
     Hält sie der Graf in Armen.

Er spricht: „nun halt‘ es endlich mir,
     Was Du mir oft versprochen,
Mir ist die Zeit seit Monden schier
     Auf Schnecken fortgekrochen;
Sprich nicht, auf‘s Neue, hin und her
     Von Schwur, Altar und Treue, —
Die Treu‘ ist eine alte Mähr’,
     Und Schwachheit ist die Reue.“

Er spricht‘s, und als die Nacht erscheint
     Da hat das Spiel ein Ende,
Fortjagt der Graf, Schön-Gertrud weint,
     Und ringt die sündgen Hände;
Ihr Mann kehrt heim mit Gruß und Kuß,
     Wie Abschied er genommen,
Sie heuchelt, weil sie heucheln muß,
     Und heißt ihn froh willkommen. —

Ein Jahr und wenig Tage sind‘s,
     Der Graf zieht andre Fährte,
Zur Taufe nur des Försterkinds
     ’nen Becher Wein er leerte.
Der Wein war nüchtern wie die Leut‘,
     Und konnt ihn wenig laben,
Nur mocht an Försters Vaterfreud‘
     Er seine Freude haben.

2.

Manch Jahr, in immer schnellrer Flucht,
     Ist hin in‘s Land gegangen,
Längst hält der Graf, in Sitt‘ und Zucht,
     Ein jung Gemahl umfangen;
In ihrem Aug‘ ist andres nicht
     Wie Lieb und Treu zu schauen,
Doch keinem Engelsangesicht
     Vermöcht er zu vertrauen.

Er schläft: — auffährt er aus dem Traum,
     Er bebt an Seel‘ und Leibe,
Todblaß, die Füße wollen kaum,
     Schleicht er zu seinem Weibe;
Er lauscht, und als er vor ihr steht,
     Was hört er? seinen Namen;
Ihr Träumen war ein fromm Gebet,
     Vernehmlich sprach sie: Amen!

Er reitet einsam in den Wald,
     Und sinnt, und — muß erbleichen:
Er drückt dem Renner allsobald
     Die Sporen in die Weichen,
Er fliegt nach Haus, auf seinem Roß,
     Im Wettlauf mit dem Winde, —
Und findet — spielend vor dem Schloß,
     Sein Weib mit seinem Kinde.

Oft läßt er selbst, auf seinen Knien,
     Den hübschen Blondkopf schaukeln,
Bis plötzlich tolle Bilder ihn,
     Wie hergeweht, umgaukeln:
Des Kindes Augen sind so blau,
     Und schwarz sind doch die seinen, —
Er stößt es fort, und murmelt rauh:
     „Was kümmert mich sein Weinen?“

Einst als sein Roß, im Walde draus
     Gar alten Weg genommen,
Ist an des Försters stillem Haus
     Der Graf vorbeigekommen;
Er sprach: „die Treu ist keine Mähr’; —
     Ich hab ihr Band zerrissen,
Nun treibt mich ruhelos umher
     Ein strafendes Gewissen.“

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Gedichte, Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst. – Berlin 1851, S. 131 ff.

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)

Bildquelle: Mit freundlicher Genehmigung von Kunst braucht Zeit (): Himmelsbote

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