Am Anfang war das Wort Gedicht Theodor Fontane: Sonette

Theodor Fontane: Sonette

1.

Ein Leben war’s, mit Kolben und mit Knütteln
In diesen eitlen Jammer drein zu schlagen,
Doch hab ich still ein lästig Joch getragen,
Und meiner Pflicht gehorcht und ihren Bütteln.

Jetzt aber, wo an Winters Thron zu rütteln,
Voll Lerchenschlag, die Frühlingslüfte wagen,
Jetzt will auch ich, und müßt’ ich sie zernagen,
Die Ketten alle muthig von mir schütteln.

Ein Lebewohl — kein Fluch Euch, meine Dränger;
Ihr seid geschützt vor meines Zorns Ergüssen,
Weil ihr zu klein dem neugebornen Sänger;

Er eilt hinaus den jungen Lenz zu küssen,
Und kein Gedanke nur gehört Euch länger,
Als er Euch selber hat ertragen müssen.

2.

Nun kann ich wieder wie die Lüfte schweifen,
Am Strom, im Wald auf’s Neue bei den alten
Geliebten Plätzen Rast und Andacht halten,
Und lächelnd nach der Abendröthe greifen.

Dem Markte fern, dem Feilschen und dem Keifen
Fühl ich der Seele Schwingen sich entfalten,
Mir kehrt die Kraft mein Denken zu gestalten,
Der Keim wird stark zur Frucht heranzureifen.

Bald werd ich neu zu Freud und Frohsinn taugen;
Schon lern ich aus des Frühlings heitren Klängen,
Wie süßen Nektar, Lust am Leben saugen;

Schon lächl’ ich wieder, statt den Kopf zu hängen,
Und zwischen mich und Deine lieben Augen,
Seh ich sich fürder keine Wolke drängen.

3.

Zur Geltung kommt das kläglichste Gelichter!
„Sei Bänkelsänger oder Farbenreiber,
Sei Dorfschulmeister oder Eseltreiber,
Sei was Du willst, gleichviel! nur sei kein Dichter.“

Verlacht man auch solch Schwatzen geisteschlichter
Gevatterschaft, sammt ihrer alten Weiber,
’s greift doch ins Herz, und einen müßgen Schreiber
Schilt man sich oft als eigner Splitterrichter.

Wenn aber dann nicht Scham ob eitlem Ringen
Das heiße Blut ins Antlitz mir getrieben, —
Wenn’s Freude war am Schaffen und Gelingen;

Dann, während Erd’ und Erdennoth zerstieben,
Fühl’ ich mich stark zu allen höchsten Dingen,
Und würdig selbst Dein schönes Herz zu lieben.

4.

Ich würde mich in Mährchenträumen wiegen,
Und lerchenfroh begrüßen jeden Morgen,
Könnt’ ich den irdisch’sten der Erdensorgen
Gebieten, sich zu Füßen mir zu schmiegen.

Mir ist als müßt’ ich durch die Lüfte fliegen,
Als würde mir die Freude Flügel borgen,
Vermöcht ich je, gleich jenem Sankt Georgen,
Die Noth — den ew’gen Drachen zu besiegen.

Doch ob das Glück mir auch ein dürrer Bronnen,
Und ob ich auch entbehren mag und leiden,
Ich habe doch das beste Theil gewonnen.

Und sollt’ ich, diese Stunde noch, entscheiden
Mich zwischen Dir und einer Welt voll Wonnen,
Es bliebe doch beim Alten mit uns Beiden.

5.

Es hat das Herz viel Todte zu bestatten!
Sie, die gelebt drin und es ganz besessen,
Verriethen’s oder lernten’s doch vergessen,
Sie wurden kalt, wie heiß geglüht sie hatten.

Die Besten selbst, und ob einst ohn’ Ermatten
Ihr Lieben sie verschwendrisch zugemessen,
Längst pflanzt mein Herz an ihrem Grab Cypressen,
Sie leben noch, und wurden dennoch — Schatten.

Ein jeder Tag sieht neue Kreuze ragen;
Wohl weint das Herz, — doch Mannes-Kraft und Würde
Lehrt immer neu geduldiges Entsagen.

Nur sollt ich je als schwerste Lebensbürde
Auch Dich hinaus auf jenen Friedhof tragen, —
Mein Herze fühlt es, daß es brechen würde.

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Gedichte, Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst. – Berlin 1851, S. 34 ff.

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)

< Bekenntniß Nach dem Sturm >

 

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