Die Mutter spricht: „lieb Else mein,
Du mußt nicht lange wählen;
Man lebt sich in einander ein,
Auch ohne Liebesquälen;
Manch‘ Eine nahm schon ihren Mann,
Daß sie nicht sitzen bliebe,
Und dünkte sich im Himmel dann,
Und alles ohne Liebe.“
Jung-Else hört‘s und schloß das Band,
Das ewge am Altare,
Es nahm, zur Nacht, des Gatten Hand
Den Kranz aus ihrem Haare;
Ihr war zu Sinn, als ob der Tod
Sie auf die Schlachtbank triebe, —
Sie gab ihr Alles nach — Gebot,
Und alles ohne Liebe.
Der Mann ist schlecht, er liebt das Spiel,
Und guten Trunk nicht minder,
Sein Weib zu Hause weint zu viel,
Und ewig schrein die Kinder;
Spät kommt er heim, er kost, er — schlägt,
Nachgiebig jedem Triebe, —
Sie trägt‘s, wie nur die Liebe trägt,
Und alles ohne Liebe.
Sie wünscht‘ sich oft: „es wär‘ vorbei“,
Wenn nicht die Kinder wären;
So aber sucht sie, stets auf‘s Neu,
Den Gatten zu bekehren;
Sie schmeichelt ihm, und ob er dann
Auch kalt bei Seit‘ sie schiebe,
Sie nennt ihn: ihren liebsten Mann,
Und alles ohne Liebe.
– Theodor Fontane –
Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Gedichte, Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst. – Berlin 1851, S. 115 ff.
> Siehe auch: Kunst braucht Zeit (₪): Hochzeitsboot (Designerkarte, auf der Basis von Pierre-Auguste Renoir)
> Siehe auch: Stichwortverzeichnis, Eigennamen, Natur
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