Am Anfang war das Wort Ballade Theodor Fontane: Unser Friede

Theodor Fontane: Unser Friede

Ein Sommertag, wo man zu tiefer
     Siesta sich verpflichtet hält,
Wo Mücken nur und Ungeziefer
     So recht lebendig in der Welt,
Wo giftger Pesthauch auf zum Himmel
     Aus stehenden Gewässern steigt,
In deren Schlamm sich das Gewimmel
     Vielbeinigen Gewürmes zeigt:

Das ist der Friede, der uns schlimmer
     Als je ein Krieg zu werden droht,
Als je ein Krieg, der uns noch immer
     Ein offen Feld für Thaten bot;
Genüssler hegt jetzt unsre Jugend,
     Und Stockgelehrte allenfalls,
Doch jeder Kraft und Männertugend
     Brach dieser Friede schon den Hals. —

Doch wird die Sonn‘ erst unerträglich,
     Und dörrt den Wald, und sengt die Flur,
Da hilft sich, auf gut-sommertäglich,
     Mit einem Schlage die Natur:
Die Donnerwolke blitzt und wettert,
     Und nimmt der Luft den giftgen Hauch,
Und wird auch mancher Baum zerschmettert,
     In faule Sümpfe schlägt es auch.

Welch Friede dann, wenn segenstrahlend
     Die Sonn‘ im Westen untergeht,
Und dunkle Purpurrosen malend,
     Der Himmel wie in Flammen steht!
Wir baden uns im Hauch der Frische,
     Wie neugeboren ist das All,
Und in des Baumes Blätternische
     Schlägt lieblicher die Nachtigall.

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Gedichte, Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst. – Berlin 1851, S. 88 ff.

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)

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