Am Anfang war das Wort Drama Theodor Fontane: Karl Stuart. Dramatisches Fragment (Erster Akt, Teil 3)

Theodor Fontane: Karl Stuart. Dramatisches Fragment (Erster Akt, Teil 3)

König.

Weh aller Zeit — und es ist unsre Zeit —
Wo des Vertrauens Brücke abgebrochen,
Die zwischen Volk und Fürstenherz sich schlug;
Wo Königswort ein leerer Schall geworden,
Ein tönend Erz und einer Schelle Klang.
Des Volkes Furcht ist Wahn! und doch, ich fühl‘ es,
Was Argwohn eingeätzt in die Gemüther,
Das wischt man nicht mit Worten aus der Brust;
So sei‘s denn eine That; sei‘s denn ein Opfer:
Der Königin Mutter geht!

Strafford.

Glück auf, zum Sieg!

Aus dem Entschluß wächst uns ein ganzes Heer.
Traun, wie bei Azincourt, auf blut‘gem Feld,
Die Geister einst der Helden von Crecy
Die Lücken stopften und zum Sieg uns führten, —
So fechten jetzt für uns die guten Geister
Neu auferweckter Lieb‘ und Treu. — Und nun
An‘s Parlament, — es darf nicht länger leben!

König.

Kein Ueberstürzen, Graf! der Schritt ist ernst.
Das rasche Zürnen unsrer früh‘ren Jahre,
Das, Mal auf Mal, die trotz‘gen Parlamente
Uns lösen ließ, — es hat nicht eingeschüchtert,
Es hat erbittert nur. Nein, nein, Mylord!
Das Mißtrauen, das Ihr wegzutilgen trachtet,
So streut Ihr‘s nur mit vollern Händen aus,
Denn eifersüchtig bis zum eignen Schaden,
— Das Beste selbst noch als ein Schlimmes deutend, —
Wie seinen Glauben unser Volk bewacht,
Bewacht es auch sein Recht.

Strafford.

Sein Recht? das soll‘s!

Doch das ist keines von des Volkes Rechten,
Daß, wenn durch List und Mißbrauch aller Art,
Des Landes puritansche Conventikel
In‘s Parlament (das Volkesstimme sei)
Mit Bibelsprüchen sich hineingezetert, —
Daß wir vor solchem Echo von Sektirern
In Ehrfurcht stehn, wie vor Orakelsprüchen.
Das Wohl des Volkes ist sein höchstes Recht,
Und in dem Rechte wurzelt unser Recht,
Die Axt an solchen faulen Stamm zu legen.

König.

Und wenn‘s geschäh‘, was führt dann den Beweis
Klar und handgreiflich vor des Argwohns Augen,
Daß Liebe nur zu Volk und Land, nicht aber
Engherzger Haß zu diesem Schritt uns trieb!
Glaubt Ihr, Mylord, daß jenes Bleigewicht,
Was dieses Parlamentes Filzerei
All unsren Plänen an die Flügel hängt, —
Daß all die Steine, die sein Widersprechen
Bei jedem Schritt uns vor die Füße rollt, —
Daß all sein Pfeile-schießen giftgen Spottes,
Sein uns mit Koth-bewerfen plumper Späße, —
Daß alles das uns in des Volkes Augen
Ein Recht verleiht die Lästgen abzuschütteln?!
Nein, an dem Spiel erquickt sich nur das Volk,
Erlabt sich dran, daß wir, die Hochbeglückten,
Auch unsren Hemmschuh an den Füßen tragen,
Und eh‘ Ihr nicht mit etwas Ungeheurem
An ihre Seele klopft und sprecht: „seht her!
Die ihr „Vertreter“ nennt, — es sind Verräther“;
Eh‘ glückt es nicht. —

Strafford.
Drum eben glückt es, — lest!
(er überreicht dem König ein Papier)

Ein Ungefähr verschafft uns diesen Brief.
Der Zufall ist oft klüger als die Klügsten,
Und überlistet hämisch noch die List.

(während der König liest, mit immer steigender Lebendigkeit)

Jetzt haben wir die Füchse all im Eisen,
Die Pym‘s, die Hampden‘s und die Harrison‘s!
Verrath liegt klar zu Tag! das Schottenheer,
Das immer noch an unsrer Grenze lungert,
Hier dieser Brief nennt es: „viel-liebe Brüder“
Und ladet gastlich, Wort um Wort, es ein,
An unsres Landes Tische sich zu setzen.
Das ist Verrath auch in des Volkes Augen!
So gradezu den Feind herbeizurufen,
Und mit ihm Krieg und seine tausend Wunden,
Das öffnet aller Augen.

König.
Ihr vergesst,
(In zürnender Entrüstung, die ich theile,)

Fünf Namen nur verräth uns dieses Blatt:
Pym, Hampden, Hollis, Cromwell, Harrison.
Die That ist ihre That; das Parlament
Hat keinen Theil daran.

Strafford.

Es wird ihn haben.

Auswirk‘ ich heute noch im Haus der Lords,
Noch diese Stunde, den Verhaftsbefehl;
Mit dem Befehl dann hin in‘s Unterhaus,
Vom Hause selber diese fünf zu fordern.
Wenn sich‘s dann weigert, — und es wird sich weigern,
Sich sträuben, wie der Leib sich sträubt die Seele,
In der sein Leben wurzelt, wegzugeben, —
Dann Sieg! Hintretend vor Alt-Englands Volk,
Abreißend diesen Heuchlern ihre Maske,
Erklären wir dies Schelmen-Parlament
Für aufgelöst; und wenn dann unser Land,
— Rundköpfge Psalmensänger ausgenommen —
Nicht „Amen“ spricht, und nicht aus voller Kehle
„Hoch leb‘ der König!“ ruft, so nennt es Lüge
Nenn ich mich je noch Euren treusten Diener.

König.

Rundköpfge Psalmensänger, wie Ihr sagt,
Uns lebt davon ein gutes Theil im Lande.
Sie werden um ihr Parlament sich schaaren,
Und wenn die Schotten dann die Waffenruhe
In alter, guter Schottentreue brechen —

Strafford.

So sind, gestützt auf unser Volk und Recht,
Wir diesem Feind wie jedem Feind gewachsen.
Die irische Armee ist treu: wir werfen
Von Belfast und Dublin zehntausend Mann
Kerntruppen ’rüber an die schottsche Küste,
Und wenn sich‘s hier am eignen Herde regt,
So haben wir auch hier noch Regimenter,
Die nur des Zeichens harrn —

König. (gespannt)

Glaubt Ihr das sicher?

Strafford.

So sicher wie an meine Schuld ich glaube,
Und an Vergebung meiner Schuld. Hört selbst:
Goring und Bloomingfield, zwei Obersten,
Harrn in der Halle draus und bitten dringend
Um Audienz, im Auftrag ihrer Corps‘s.
Gefall‘ es Euch sie vorzulassen.

König. (indem er klingelt)
Gern!
(zum hereintretenden Diener:)
Die Obersten!
(Die Obersten treten ein)

Ah, Oberst Bloomingfield!
Ich sah zu Berwick Euch, im vor‘gen Herbst,
Als wir den Schotten gegenüberstanden.
Ein stattlich Regiment das Eure! Sagt,
Wie steht‘s um Geist und Stimmung in der Truppe?

Bloomingfield.

Schlecht, Majestät!

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