Am Anfang war das Wort Drama Theodor Fontane: Karl Stuart. Dramatisches Fragment (Erster Akt, Teil 2)

Theodor Fontane: Karl Stuart. Dramatisches Fragment (Erster Akt, Teil 2)

Königin. (heftig)

Sie müssen an den Pranger.

Strafford.

Das gäb‘ ein Martyrthum, wär‘ ein Triumph;
Sie würden Blumen erndten statt der Schande.

Königin. 

So laßt sie peitschen.

Strafford.

Gnäd‘ge Königin,

Wir haben andre Feinde zu bekämpfen.
Mein Rath ist: gebt sie frei, — und mehr als das:
Gebt ihrem Wunsch Gehör.

König.

Ich fass‘ Euch nicht.

Ihr könnt nicht meinen, Graf, —

Strafford.

Der Königin Mutter

Muß aus dem Land.

Königin.
Wie?!

König.

Mylord Strafford, traun,

Nachgiebigkeit war sonſt nicht Eure Tugend.

Strafford.

Und ist es nicht; was Euch so scheinen mag
Ist Pflicht der Klugheit, ist — Nothwendigkeit.

König.

Die Klugheit heischt nur eins: dem Unfug steuern,
Ziel setzen diesem maaßlos frechen Fordern.

Strafford.

Des Volkes Fordrung ist nicht frech an sich,
Es war‘s die Art und Weise nur, die Form,
Das Wie war sträflich, aber nicht das Was.
Hört auf dies „Was“. Der Feind ist stark; wir brauchen
Vertrauen jetzt, wir brauchen Bundsgenossen:
Des Volkes Lieb‘ und Treu‘, um jeden Preis;
Der Königin Mutter aber (sei’s geklagt!)
Ist unsrem Volk verhasst.

König.

Sagt unsrem Pöbel.

Strafford.

Des Pöbels Stimme dürfen wir verachten,
So lang es eben Pöbel nur, was schreit.
Doch wenn ein ganzes Volk dahintersteht,
Und jene rohe Menge nur die Zunge
Dem Wunsch und Willen aller Herzen leiht,
Dann ist es Zeit auf solchen Ruf zu achten,
Und diese Stunde kam. — Auf meiner Fahrt
Jüngst durch die Westprovinzen dieses Lands,
In Chester, Warwick, Oxford, Shrewsbury,
All überall, am Weg, in Dorf und Stadt,
Stand man in Gruppen, schüttelte den Kopf,
Und trat ich näher, stets derselbe Name
„Marie von Medicis“, — dieselben Flüche,
Und stets derselbe Ruf: „fort muß sie, fort“.
Das war der Pöbel nicht, das war das Volk,
Und dieses Volk und seine gute Meinung
Das brauchen wir, das fiel entscheidungsvoll
Noch immer in des Kampfes Wage, und
Wohin sich’s neiget, neigt sich auch der Sieg.

Königin. 

Genug, Mylord! Ihr müht umsonst Euch ab
Des Staatsmanns Ernst und Würde zu erkünsteln,
Zu thun, als knüpfe sich das Wohl des Lands
An meiner Mutter Bleiben oder Gehn.
Sie soll nicht fort um Ruh und Friedens willen,
Nicht fort, weil Pöbel oder Volk es fordert,
Sie soll nur fort weil es Graf Strafford will.
Verletzte Eitelkeit schreit laut um Rache:
Ihr denkt des Tages noch, wo meine Mutter
„Land-Edelmann“ in bittrem Scherz Euch nannte.
Doch Eitelkeit ist nur der stumpfre Sporn,
Der Herrschsucht Stachel setzt Euch schärfer zu,
Erproben möchtet Ihr an diesem Fall
All Eure Aussicht auf Allmächtigkeit.
Ein kranker Stolz hat Euer Herz vergiftet;
Die Liebe selbst zu Eurem Herrn und König
Ist nur ein Kind des Hochmuths dem Ihr dient,
Und meiner Liebe Macht und Einfluß fürchtend,
Hasst Ihr mich schon, weil mich der König liebt.
Thut, was Ihr müsst, nur schonet meine Mutter,
Sonst Graf, so wahr ich meiner Mutter Tochter,
Ich denk‘ es Euch. (ab.)

König.

Mylord, nicht Fürsten nur,

Auch Völker kennen Eigensinn und Laune.
Welch‘ Makel haftet an der Königin Mutter?!
Ist es der bloße Name „Medicis“?
Wie, oder geht das ewige Gespenst —
Die Furcht vor Rom und seinem Pabstthum wieder
Durch‘s ganze Land?

Strafford.

Hört, was ich selbst vernahm.

Zu Coventry, es war am hellen Tag,
Sprang Einer aus dem Volk auf eine Tonne.
„Landsleute, — rief er — hört ein Stückchen noch
Von einer Medicis und Königin Mutter; —
Hieß Katharine zwar, und nicht Marie,
Doch welcher Apfel fiele weit vom Stamm!
Bluthochzeit feierte die Stadt Paris,
Der Glocke Zeichen war in Nacht verklungen,
Und durch die Straßen, wie gehetztes Wild,
Wehschreiend, betend floh der Hugenott.
Schon zog ein Blutstreif durch den Seine-Fluß,
Schon lag verstümmelt, siebenfach durchbohrt,
Auf offnem Platz der greise Coligny,
Und immer noch, den Mord zum Morde mahnend,
„Laßt Ader!“ schrie der tückische Tavannes.
Im Schlosse aber, das sie Louvre nennen,
An jener hohen Bogenfenster einem,
Stand König Karl, der neunte seines Namens,
Und zitterte. Der ungeheure Frevel
Griff ihm in‘s Herz. Trotz Licht und Fackelglanz,
Nacht war‘s um ihn. Er warf die Büchse fort;
„Ich kann nicht schießen, Mutter!“ rief der König.
Da trat ein Weib hervor, schwarz war ihr Haar,
Schwarz wie der Sammet ihres Schleppenkleides,
Und ihrem Aug‘ entflammte tiefre Gluth,
Als dem Rubin der ihr am Nacken blitzte.
„Bist Du ein Mann!“ so raunte sie ihm zu,
Ein König und — so feig? ich mag‘s nicht glauben!“
Das zündete. Der Fürst, in falscher Scham
Ergriff er neu das Rohr, ſie aber rief:
„Schau dort das Weib, das Hugenottenweib, —
Sie flieht und birgt den Säugling an der Brust, —
Zertritt das Raupennest!“ Der König schoß;
Ein Wehschrei klang herauf; doch die Entmenschte
     Schlug in die Hand und lachte: „brav, mein Sohn!“
Und dieses Weib — und nun geht still nach Haus —
War eine Medicis und Königin Mutter.“
So sprach der Mann (es war zu Coventry)
Und sprang herab; ich aber fuhr des Wegs.

König.

Und ward kein Beifall laut? trug man den Sprecher
Nicht im Triumph nach Haus? schwur nicht ein Jeder,
Vom feisten Höker bis zum Bettelbuben,
Für seinen Glauben einzustehn? die Thoren,
Als sei ihr Glauben in Gefahr! so aber
Ist dieses Volk: sein Denken all und Fühlen,
Sein Heiligstes, ein Spielball ist‘s in Händen
Fanat‘scher Priester, oder schlimmer noch,
Ehrgeiz‘ger Gaukler die ihr Fach verstehn.
Der Mann, der da herab von seiner Tonne,
Mit jedem Wort die Saat des Hasses streute,
Was gab er mehr als Worte? welche Schuld
Warf er der Königin Mutter vor die Füße?
Was war es? nichts! ihr Name — ihre Schuld.

Strafford.

Das eben ist‘s; da lebt uns die Gefahr,
Daß jeder Scheingrund gläubge Hörer findet,
Daß alles Volk, von Argwohn wie bestrickt,
Das Tollste glaubt, nicht weil es glaubhaft wäre,
Nein, eben deshalb weil’s unglaublich ist.
Schon flüstert man von einer Hofverschwörung,
Ihr — heißt es — seid im Herzen Katholik,
Und neu-errichtet sehn viel Tausend schon
Die Scheiterhaufen der Maria Tudor
Durch diese mediceische Marie.
Des Mißtrauens Nessel wuchert durch das Land,
Und dieses Unkraut aus den Seelen reißen,
Das kann kein Wort, das kann nur — eine That.

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