Am Anfang war das Wort Drama Theodor Fontane: Karl Stuart. Dramatisches Fragment (Erster Akt)

Theodor Fontane: Karl Stuart. Dramatisches Fragment (Erster Akt)

Erster Akt.

Der König.     Van Dyk.

Zimmer des Königs. Auf einem Stuhl, seitwärts vom König, steht das Bild der Königin, von Van Dyk gemalt. Der Maler selbst, der das Bild eben gebracht, in einiger Entfernung hinter dem König.

König.

Der Meister hat sich neu bewährt; das ist
Kein Bild der Königin, das ist sie selbst.

Van Dyk(sich verbeugend)

Ein liebend Auge ist ein milder Richter,
Ihr lobt das Bild, weil Ihr sein Vorbild liebt.

König.

O, Niemand weiß es besser als ihr Maler:
Der Liebe Blindheit hat die schärfsten Augen.
Wir übersehn die Blattern des Gesichts,
Sind blind für alle Mängel der Natur,
Und doch, wenn auf dem Bildniß unsrer Schönen
Das Grübchen fehlt, das sie beim Lächeln zeigt,
So merken wir‘s, und nennen voll Entrüstung
Des Meisters Werk — elende Stümperei.

Van Dyk

Kann sein daß mir die Stunde günstig war,
Auch malt‘ ich mit besondrer Lust und Liebe:
Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken
„Es gilt der Tochter einer Medicis“; —
Dem ganzen Hause malt‘ ich dieses Bild,
Ein Künstserdank an alle Mediceer.

König.

Die Völker fühlen anders.

Van Dyk

Volk und Kunst
Sind jetzt Geschwister, die sich nicht verstehn;
Es zieht ein jedes seine eigne Straße.

König.

Ein wahres Wort! und glücklich alle Kunst,
Die unberührt vom Schmutz und Schlamm des Lebens,
Taub für den Haß und Wirrwarr der Parthein,
Den Massen fern, — die eignen Pfade zieht.
Und glücklich Ihr, die Ihr der Schönheit dient!
Euch bindet nicht des Landes enge Grenze,
Nur in zwei Völker theilt sich Euch die Welt:
In geistig Sehende und geistig Blinde.
Die Einen fliegen jubelnd Euch entgegen,
Die Andern wissen kaum es, daß ihr seid,
Und so, vor aller Niedrigkeit geborgen,
Löst Ihr das Räthsel, ungehasst vom Pöbel,
Der Guten Freund, der Besten — Stolz zu sein.

Van Dyk

Wohl, alle Kunst ist ein Geschenk des Himmels,
Und Dankbarkeit des Auserwählten Pflicht,
Doch haben wir auch unsre schweren Stunden.
Den jungen Ruhm vergiftet uns der Neid,
Die eigne Kraft betrachten wir voll Zweifel,
Und was so leicht sich und natürlich giebt,
Als wär‘ das Werk uns in den Schooß gefallen,
Das rang in uns oft jahrelang nach Form,
Und manches Wehe — —

König. (ihn unterbrechend)

Hört Ihr drauß den Lärm?!
Nicht Ruh nicht Rast in meinem eignen Haus!
Van Dyk — ich seh Euch wieder! Tag um Tag
Bestürmt mich jetzt das Volk, und seine Bitten
Sind nicht viel anders wie Befehle. Gott
Zum Gruß, nochmals — lebt wohl! (Van Dyk ab.)
(Die Königin rasch und in höchster Aufregung eintretend.)

König.

Was giebt‘s Marie?

Königin.

Es ist empörend!

König.

Was empört Dich? Sprich.

Königin.

Das City-Volk ist wieder auf den Beinen —

König.

Und wie ein Zerrbild auf Gesetz und Recht,
Schreit es: Gerechtigkeit, Gerechtigkeit!
Ich kenn‘ sie schon die neuen Themis-Priester
Mit nackten Armen und geschwungner Axt.
Wem gilt es heut?

Königin.

Ach, meiner armen Mutter.

Durch Ränkekunst vom eignen Herd verbannt,
Sucht Schutz sie bei der königlichen Tochter,
Doch ärmer als des ärmsten Mannes Weib,
Hab‘ ich kein Obdach für die eigne Mutter.

König.

Was soll‘s mit ihr?

Königin.

Fort soll sie aus dem Land.

„Weg die Papistin, weg den Antichrist,
Weg mit dem Buhlweib Herzog Buckingham‘s!“
So schrein die Rasenden, und Späße hört‘ ich,
Die alle Sitt‘ und Scham mit Füßen treten.
Sonst stirbt der Haß mit des Verhaßten Glück,
Nur dieses Volk geizt nach der Schanden-Ehre
Für alles Mitleid taub und todt zu sein;
Zu altem Haß gesell‘n sie neuen Spott,
Und roher als das rohste Volk der Wüste,
Mißachten sie des Gastes heilig Recht.

König.

Wär‘ Strafford da!

Königin.

Nenn‘ mir den Namen nicht.

Er hat die Hand im Spiel; ich weiß es sicher.

König.

So ist er hier?

Königin.

Seit gestern schon.

(Ein Diener tritt ein.)

Diener. (anmeldend)

Graf Strafford, — Majestät.    (Diener ab.)

(Strafford tritt ein und eilt auf den König zu.)

Strafford. (mit Wärme)

Mein Herr und König!

(er küsst des Königs Hand und verbeugt sich dann gemessen gegen die Königin.)

König.

Gegrüßt Mylord! Ich wähnt Euch noch in Irland,
Von langer, schwerer Krankheit kaum erstanden,
Doch Strafford ist der alte; er genas
Aus Lust und Liebe seinem Herrn zu dienen.

Strafford. 

Ihr sprecht es aus; krank traf mich Euer Brief,
Ich las: Ihr rieft mich, — und ich war genesen.
Seit gestern bin ich hier; o, wär’ ich’s länger:
Bei Freund und Feind welch‘ Wechsel der Erscheinung!
Der Feinde Haß, ohnmächtig sonſt vor Furcht,
Jetzt prahlt er schier in offnem Widerstande, —
Und schlimmer noch: des Argwohns Rattenzahn
Nagt an der Freunde Herz.

König.

Vor allem, Graf,

Saht Ihr das freche Treiben vor dem Schloß?

Strafford. 

All dieses Treiben ist nur Wiederhall,
Ist nur Symptom der Krankheit, nicht sie selbst,
Die Krankheit selber nennt sich — Parlament.
Das ist die Amme, die den Zwiespalt säugt,
Das ist die Wurzel, die den Giftbaum trägt,
Und, allen Stolz wegwerfend aus der Brust,
Sprech ich zu jedem Feinde: „sei mein Freund“,
Um diesen Urfeind sichrer zu vernichten.

König.

Ich lieb ihn nicht; doch was zumeist ich hasse,
Das ist dies Straßenparlament, das täglich
Mit drohenden Fäusten jetzt Gesetze macht.
Wie stand es draußen?

Strafford. 

Leer ist Hof und Platz.

Des Schlosses Wache griff die lautsten Schreier, —
Der Rest zerstob wie Spreu.

Königin. (lebhaft)

Und die Gefangenen?

Strafford. 

Sind noch in Haft.

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