Am Anfang war das Wort Gedicht Theodor Fontane: An Emilie

Theodor Fontane: An Emilie

Da draußen schneit es: Schneegeflimmer
     Wies heute mir den Weg zu Dir;
Eintret‘ ich in Dein traulich Zimmer,
     Und warm an‘s Herze fliegst Du mir —
Abschüttl‘ ich jetzt die Winterflocken,
     Abschüttl‘ ich hinterdrein die Welt, —
Nur leise noch von Schlittenglocken
     Ein ferner Klang herübergellt.

Nun ist es still; nun laß uns kosen:
     Du legst Dein Haupt auf meinen Schooß,
Ich aber knüpf‘ in leichtem, losen
     Getändel Dir die Flechten los.
Du zürnst; warum? Du glaubst zu müssen,
     Und schwörſt: „nie wieder einen Kuß!“
Da weiß ich, daß ich rasch mit Küssen
     Die krause Stirn Dir glätten muß.

„Nun aber komm, nun laß uns plaudern
     Vom eignen Herd, von Hof und Haus!“
Da baust Du lachend, ohne Zaudern,
     Bis unter‘s Dach die Zukunft aus;
Du hängst an meines Zimmers Wände
     All meine Lieblingsschilderein, —
Ich seh’s und streck danach die Hände,‘
     Als müss‘ es wahr und wirklich sein.

So flieht des Abends schöne Stunde,
     Vom fernen Thurm tönt‘s Mitternacht,
Die Mutter schläft, in stiller Runde
     Nur noch die Wanduhr pickt und wacht.
„Ade, mein Lieb!“ von warmen Lippen
     Ein Kuß noch, — dann in Nacht hinein:
„Das Leben lacht, trotz Sturm und Klippen,
     Nur Steurer muß die Liebe sein.“

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Gedichte, Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst. – Berlin 1851, S. 235 ff.

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)

Bildquelle: Mit freundlicher Genehmigung von Kunst braucht Zeit (): Lotosblume

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