Wie Heinrich Rosamunden findet.
Der König Heinrich jagt im Wald
Mit Hof- und Jagdgesinde,
Es führt sein Ritt ihn alsobald
Auf eine weiße Hinde,
Und nach, durch Ginster und durch Porst,
Spornt er sein Roß, bis tiefer Forst
Das Thier in Schutz genommen.
Des Weges bar, durch Strauch und Dorn
Lenkt Heinrich jetzt den Schecken,
Und ruft Halloh und stößt ins Horn
Um Gegengruß zu wecken;
Wohl hört er wie da Birkhuhn schwirrt,
Wie über ihm die Taube girrt,
Doch nichts von Hornesklängen.
Der Tag ist heiß: es weht kein Hauch
Und Roß und Reiter dürsten;
Kein Quell ist da, kein Brombeerstrauch
Beut seine Frucht dem Fürsten;
Der denkt wohl: „Wenn ich Wasser hätt’,
So wahr ich ein Plantagenet,
Ich wög’ es auf mit Golde.“
Da schnaubt sein Scheck, und noch einmal,
Wie wenn er Obdach wittert –
Und sieh, ein Schloß im Sonnenstrahl
Hell durch die Zweige zittert.
Schon halten Roß und Mann davor,
Und gastlich öffnet sich das Thor
Dem ungekannten Ritter.
Und in die Hall‘ voll Waffenprunk
Ist Heinrich jetzt getreten,
Und hat um Wasser, einen Trunk,
Den Graubart drin gebeten;
Der aber spricht: „An Cliffords Schwell‘
Labt man den Gast mit andrem Quell –
Schaff‘ Wein uns, Rosamunde!“
Und alsobald die junge Maid
Ergreift die güld’nen Kannen;
Sie grüßt den Gast in Sittsamkeit
Und schwebet leicht von dannen.
Ihr Haar ist blond, ihr Wuchs ist schlank,
Und Heinrich weiß dem Ritter Dank,
Um solcher Hinde willen.
Und jetzund wieder in den Saal
Tritt sie nach kurzem Gange:
Roth glüht der Wein im Goldpokal,
Und roth glüht ihre Wange.
Sie beut den Trunk mit Sitten dar,
Dem König aber wird fürwahr,
Als hätt‘ er schon getrunken.
Und als er trinkt, da trinkt er nicht
Mit Lippe nur und Kehle,
Da trinkt sein Aug‘ ihr Angesicht
In seine tiefste Seele:
Und eh‘ die Maid sich abgewandt,
Ergreift er ihre weiße Hand,
Zum Danke sie zu küssen.
Da schau‘, von Simses Stuck und Kalk,
Gespornt an jedem Hacken,
Schießt Rosamundens Edelfalk
Auf seiner Herrin Nacken:
Er bläht sich auf in Tück‘ und Trutz
Und hebt den Sporn zu Schirm und Schutz
Voll Eifersucht im Herzen.
Doch ob er zürnt und ob er wetzt,
Den Kühnen zu verjagen –
Die Hand, sein Todfeind küßt sie jetzt
Trotz seiner Flügel Schlagen;
Schön Rosamunde schenkt ihm ein,
Und selig blickt der König drein,
Wie nie in seinem Leben.
Und auch dem Alten wird so warm,
Wie nun sie tapfer zechen:
Es zuckt ihm schier durch Herz und Arm,
Als sollt‘ er Lanzen brechen;
Den Goldpokal, er stampft ihn auf,
Als wär’s ein alten Degenknauf,
Und Blut statt Wein im Becher.
Der König schaut‘s, und lohnt ihm drauf
Mit festlichen Turnieren,
Und giebt noch Schlachten in den Kauf
Mit Schotten und mit Iren;
Und wie so Strauß an Strauß sich drängt,
Da wohl an jedem Worte hängt
Die schöne Rosamunde.
Der alte Clifford aber längst
Den Becher still umkrampfte:
Er hört‘s nicht mehr wie Heinrich’s Hengst
Den Douglas einst zerstampfte;
Und als der König jetzund schweigt,
Murrt er, sein Haupt in Gram geneigt:
„Daß einen Sohn ich hätte!“
Da auf vom Sitze springt sein Gast,
Und ruft: „Der ist gefunden!
Gieb mir das Kleinod, das Du hast,
Die Hand von Rosamunden;
Zu gutem Schwert und gutem Roß
Ein junges Herz und altes Schloß,
Das ist es, was ich biete.“
Der Alte sieht sein Kind erglühn
Vor Scham und Freud‘ im Bunde;
Es weiß, wenn so die Rosen blühn,
Ward’s Lenz im tiefsten Grunde;
Er spricht: „Mein Sohn, mein Kind sei Dein,
Und morgen soll die Hochzeit sein –
Wir brauchen keine Gäste!“ –
Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde, Gedicht, Verlag von Moritz Katz, Dessau – 1850, S. 7 ff. (siehe auch: Vorwort)
> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)
< Inhaltsverzeichnis | Von der schönen Rosamunde. 2. Kapitel > |