Am Anfang war das Wort Verserzählung Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde. Viertes Kapitel

Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde. Viertes Kapitel

Heinrich und Rosamunde in Woodstock.

     Schloß Woodstock ist ein alter Bau
Aus König Alfreds Tagen:
Man sieht es weithin stolz und grau
Die Tannen überragen;
Zu Füßen ihm ein Garten liegt,
Wie wohl ein blühend Kind umschmiegt
Das Knie des Aeltervaters.

     Der Garten ist an Blumen reich,
An Quellen und an Bronnen,
Und auf dem Rasen, teppichgleich,
Tanzt gern das Licht der Sonnen;
Doch finster an des Gartens Saum
Drängt sich urplötzlich Baum an Baum
Zu mächt‘gem Forst zusammen.

     In seine Tiefen glückt es nicht
Der Sonn‘ ihr Licht zu senden:
Nur knisternd durch die Zweige bricht
Der Hirsch von sechzehn Enden;
Scheu folgt das Elenn seiner Bahn,
Und kreischend lockt der Auerhahn
Herab vom Tannengipfel.

     Am Waldrand, in des Gartens Näh‘,
Ist eine offne Stelle:
Es glitzert dort, halb Teich halb See,
Im Sonnenstrahl die Welle;
Viel Erlen stehn am Uferrand,
Und wo die Welle küßt den Sand,
Da sprießen blaue Blumen.

     Und hier im duft’gen Wiesengrund,
Wo Wald und See sich grüßen,
Da sitzt die schöne Rosamund
Zu König Heinrichs Füßen:
Es ruht ihr Haupt auf seinem Schooß,
Und ihre Augen, blau und groß,
Schaun lächelnd in die seinen.

     Ein frischer Bronnen ist ihr Mund,
Und Heinrichs Lippen senken,
Wie Krüge, tief sich auf den Grund,
Um so sein Herz zu tränken;
Doch wie solch‘ Trunk ihn auch erquickt,
Aus seinen Augen finster blickt
Von Zeit zu Zeit die Seele.

     Das junge Weib es bangt und blaßt
Vor seines Auges Schatten,
Und sieh‘, ihr eignes Herz erfaßt
Der Trübsinn nun des Gatten;
Sie weint und ruft in bittrem Harm:
„Ist auch die Liebe selbst zu arm,
Ein ganzes Glück zu schaffen!“

     „Was soll nur, Heinrich – spricht sie fort –
Der Ernst in Deinen Zügen?
Sag‘, will mein schlichtes Liebeswort
Dir fürder nicht genügen?
Ach, als ich Dir mein Herze gab,
Gab ich Dir all mein Gut und Hab –
Ich hab‘ nichts mehr zu geben.“

     Sie spricht‘s, und sieh, ein Tropfen warm
Rollt über Heinrichs Wange:
Er nimmt sein Weib fest in den Arm,
Und küßt sie heiß und lange;
Dann spricht er: „Was mir raubt die Ruh,
Du reines Herz, das bist nicht Du,
Das ist mein bös Gewissen.“

     Er legt sie sanft hin auf den Plan
Und kniet jetzt vor der Armen;
Er ruft: „Was ich Dir angethan,
Deß woll‘ sich Gott erbarmen!
Ich, der gefreit um Deine Hand,
Bin König über Engelland
Und Leonorens Gatte.“

     Da flieht die letzte Rose scheu
Von Rosamundens Wangen:
Der König aber hält aufs Neu‘
Voll Inbrunst sie umfangen;
Laut ruft er: „So Du kannst, vergieb,
Und sei hinfort mein treues Lieb,
So treu, wie ich Dich liebe!“

     Wohl durch die Thränen leuchtet da
Ihr Auge wie die Sonne:
Ob Weib, ob nicht – er liebt sie ja,
Und das allein ist Wonne.
Sie spricht: „Dein bin ich alle Zeit,
Und kostet‘s meine Seligkeit,
Es soll kein Tod uns trennen!“

     Da heben ringsum alsobald
Die Vöglein an zu singen:
Es will das Rauschen durch den Wald
Wie Orgelton erklingen.
Der König still sein Liebchen preßt,
Und seiner Seele Hochzeitsfest
Hat nur der Wald vernommen.

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde, Gedicht, Verlag von Moritz Katz, Dessau – 1850, S. 28 ff. (siehe auch: Vorwort)

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)

< Von der schönen Rosamunde. 3. Kapitel Von der schönen Rosamunde. 5. Kapitel >

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