Von der Königin Leonore.
Des Königs Heinrichs Königin,
Die böse Leonore,
Sie starrt in finstren Träumen hin
Auf Towers Hof und Thore;
Sie sandte sieben Boten aus,
Doch keiner kehrte noch nach Haus,
Der sichre Kunde brächte.
Sie sandte sieben Boten aus,
Die sollen rings erkunden,
Ob wo in eines Köhlers Haus,
Ihr Gatte Schutz gefunden;
Doch hofft sie still, daß, roth von Blut,
Im tiefsten Wald der König ruht,
Von Mörderhand erschlagen.
So hofft und träumt die Königin
An hohen Fensters Flügel:
Sie greift in ihrem stolzen Sinn
Schon nach der Herrschaft Zügel.
Wohl sagt sie sich: „Du hoffst zu viel!“
Doch ist das nur ein Gaukelspiel,
Um so das Glück zu kirren.
Da sprengt der Sieben Einer vor,
Weiß von des Renners Schaume,
Und sieh’, die böse Leonor’
Fährt auf aus ihrem Traume;
In tollem, aberwitzgem Spott
Fleht sie – halb unbewußt – zu Gott
Um eine blut’ge Locke.
Der Diener naht, sein Herze freut
Sich, arglos, seiner Kunde:
„Der König lebt, ich sah ihn heut’
In früher Morgenstunde.
Er hielt vor Woodstocks altem Schloß,
Und hob ein blasses Weib vom Roß, –
Mit langen blonden Haaren.“
„„Daß Du an ihrem blonden Haar
Im nächsten Walde hingest,
Du Schurke, der Du lerchenklar
Dein Rabenliedlein singest!
Wer gab Dir nur die freche Stirn,
Daß Du der buhlerischen Dirn‘
Vor Unsrem Ohr gedenkest.““
Lenore spricht’s; die Eifersucht
Mit allen ihren Schrecken
Läßt zwiefach bitter sie die Frucht
Getäuschter Hoffnung schmecken.
Sie wandelt ihren Grimm in Hohn,
Und ruft: „Schau‘ Herz, das ist Dein Lohn
Für so viel Lieb‘ und Treue!“
Wild jagen Rachepläne jetzt
Durch ihre heiße Stirne:
All‘ was sie sinnt ist zorngewetzt
Und will den Tod der Dirne.
Mild fällt die Sonn‘ in ihren Saal,
Sie aber möchte jeden Strahl,
Gleich einem Dolche zücken!
„Doch nein – so spricht sie jetzt – kein Blut!
Man soll kein Blut vergeuden;
Die Dirne lebe wohlgemuth
All‘ ihren süßen Freuden:
Doch nimmt sie je das Abendmahl,
Gedrückt von ihrer Sünden Zahl –
So soll’s mein Pfaff‘ ihr reichen.“
Sie spricht‘s und schlingt in stiller Lust
Die Fäden ohne Säumen,
Dieweil in Woodstock, Brust an Brust,
Noch ihre Opfer träumen:
Dort Frühling noch und Sonnenlicht,
Hier aber thürmen hoch und dicht
Sich schon die Wetterwolken.
Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde, Gedicht, Verlag von Moritz Katz, Dessau – 1850, S. 23 ff. (siehe auch: Vorwort)
> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)
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