Am Anfang war das Wort Verserzählung Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde. Neuntes Kapitel

Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde. Neuntes Kapitel

Rosamundens Tod.

     Im Woodstock-Forst, nach Sturmesnacht
Herrscht wieder tiefes Schweigen,
Nur einzle Tropfen fallen sacht
Von Blättern jetzt und Zweigen;
Und leis nur durch die Wipfel zieht
Von Zeit zu Zeit ein Klagelied
Um die geliebten Todten.

     Am Waldrand, in des Gartens Näh‘,
Ist eine off‘ne Stelle:
Es glitzert dort, halb Teich halb See,
Im Mondlicht jetzt die Welle;
Viel Erlen stehn am Uferrand,
Und wo die Welle küßt den Sand,
Da sprießen blaue Blumen.

     Und hier im duft’gen Wiesengrund,
Wo Wald und See sich grüßen,
Da sitzt die schöne Rosamund‘
Den Erlen jetzt zu Füßen;
Es ruht ihr Haupt auf feuchtem Moos,
Und ach, ihr Aug‘ ist thränenlos
Von vielem, vielem Weinen.

     Wohin sie blickt, da wächst ihr Weh
Vor ihres Glückes Zeugen:
Nur tiefer müssen Wald und See
Die Tiefgebeugte beugen;
Und hier, wo Schwur um Schwur erscholl,
Durchzuckt sie‘s nun verzweiflungsvoll:
„Belogen und betrogen!“

     Gen Himmel starrt ihr blaß Gesicht;
Dann, mit erhobnen Armen,
Ruft laut sie: „Gott, ich trag es nicht –
Ach, üb‘ ein mild Erbarmen!“
Und alsobald, an tiefster Stell‘,
Auf See‘s mondbestrahlter Well‘,
Treibt still die Lebensmüde.

     Gleich einer blonden Wasserfee
Durchfurcht ihr Haar die Fluthen,
Und wie sie treibt, da scheint ihr Weh
Sich schmerzlos zu verbluten;
Im Tod versöhnt mit ihrem Leid,
Ruft laut sie: „Dein in Ewigkeit!“
Und sinkt dann in die Tiefe. –

                         ***

     Am dritten Tag, auf Malv‘ und Mohn,
Da liegt in Sarges Grunde,
Mit Wangen, deren Roth entflohn,
Die schöne Rosamunde;
Um ihre Lippen spielt es mild,
Und wie ein lächelnd Marmorbild
Schläft ihren Schlaf die Todte.

     Zu Seiten ihr ohn‘ Unterlaß
Und auf und ab im Saale
Schwingt Knabenhand das Weihrauchfaß,
Gemäß dem Rituale;
Zu Häupten liest – gebückt und alt
Von langem, weißem Bart umwallt, –
Der Priester seine Messen.

     Zu Füßen aber, riesengroß
Im Abendsonnenscheine,
Steht König Heinrich, regungslos,
Gleich einem Bild von Steine;
Sein Aug‘ ist starr, doch durch sein Herz
Zieht dieses Lebens höchster Schmerz:
Der Schmerz um dieses Leben.

Dieser Text ist Gemeinfrei.
Quelle: Theodor Fontane: Von der schönen Rosamunde, Gedicht, Verlag von Moritz Katz, Dessau – 1850, S. 56 ff. (siehe auch: Vorwort)

> Siehe auch: Sämtliche Texte alphabetisch sortiert (Theodor Fontane alphabetisch)

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